Das NieberDing e.V. feiert 20-jähriges Jubiläum mit Straßenfest
Unvergessliche Momente erlebten die rund 2.500 Besucher beim Nieberdingstraßenfest zum 20ten Geburtstag des gleichnamigen Vereins.
Mit insgesamt vier Bands, dem Reggae-Dub-Soundsystem Kunterbunt, Lydia Langstrumpf mit ihrem Zirkus-Akrobatik-Kinder-Space und Körpermalerei und dem Konzept Lyrikkeller von und mit Andi Substanz sowie einer atemberaubenden Feuershow begeisterten die Künstler ihr Publikum.
Los ging das Nieberdingstraßenfest 2023 am 02.09. um 15 Uhr mit viel Kinderaction. Auf einem gespannten Drahtseil konnten junge Gäste lernen, darüber zu laufen und das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Einen Stand weiter wurden die Kinder mit verschiedenen Tiermotiven bemalt. Besonders beliebt waren Katzen- und Tigermotive.
„Wir sind super zufrieden mit dem reibungslosen Ablauf des Festes. Die Besucherzahl war größer als in den Jahren zuvor und als erwartet“, erklärt Sarah Geselbracht vom Vorstand des Vereins und fügt hinzu: „Wir erklären uns den großen Zuspruch mit dem Interesse der Leute an der Entwicklung des beliebten, kreativen und familienfreundlichen Kiezes und den ansprechenden Angeboten für Jung und Alt.“
Die Stimmung auf dem grandios hergerichteten Festplatz war von Beginn an entspannt und fröhlich. Auffälligstes Mobiliar auf dem Platz war ein 15 Meter langes Piratenschiff aus Holz mit Focksegel und einem riesigen Mast, das die Nachbarschaft selbständig zusammengeschraubt hat. Schwärme von Kindern rannten von einem Deck zum anderen, erkundschafteten die Kajüte und genossen mit ihren Eltern die hohe Aussicht auf den belebten Festplatz bis zur Haupt-Bühne.
Pünktlich um viertel vor vier startete die erste Band ABK (Abkürzung) mit ihrem Punkrockrepertoire von Songs aus ihrem eigenen Album und Coverversionen berühmter Punk-Hits.
Die zweite Band ‘Wenn Einer Lügt Dann Wir’ hatten ihre eigenen Fans im Schlepptau, die textsicher bei den Songs mitsingen konnten. Das Trio aus Münster spielt längst auf größeren Festivals, kam aber gerne erneut zur Nieberdingstraße zurück und genoss sichtlich mit großer Spielfreude ihren fulminanten Auftritt.
Etwas härter und lauter ging es mit Fugu zu und ihrem Set aus Metal und Hardcore. Neugierig kamen viele Kinder nach ganz vorne in die erste Reihe, weil der Sänger nicht auf, sondern vor der Bühne agierte und die Youngsters von Angesicht zu Angesicht ansang und auch ihnen das Mikro in die Hand gab. Daraufhin enterten die mutigsten unter ihnen die Bühne und staunten mit großen Augen den Schlagzeuger an, natürlich mit großen Micky-Maus-Ohrenschützern auf dem Kopf.
Den krönenden Abschluss bildete die Blues-Rock-Garage-Band Order 69, die neuerdings durch eine Bassistin und der Aufstockung durch eine zweite Gitarre verstärkt wurde. Die Klangmöglichkeiten wurden dadurch reichhaltiger, der Sound noch breiter und treibender. Das Publikum tanzte wild mit, ließ sich vom ersten Song an in den Bann des Quartetts ziehen und geriet beim letzten Song, einem Medley aus berühmten Rock’N’Roll Hymnen unter anderem von Chuck Berry, geradezu in Ekstase.
Die Nieberdingstraße stellt eines der Münster Modell Quartiere MMQ 3–5 dar
Vor dem Auftritt erklärte der Moderator Jochen Kubeja in einer kurzen Rede auf der Bühne den ernsten Hintergrund für die Organisation des fröhlichen Festes. „Der Kiez wurde zwar vor dem Abriss für ein Stadion gerettet, jetzt gilt es jedoch, den Standort zu erhalten gegenüber gefürchteten Fehlplanungen, die das Stadtplanungsamt anstellt.“ Die Nieberdingstraße stellt eines der Münster Modell Quartiere MMQ 3–5 dar, zu denen es letztes Jahr ein Werkstattverfahren mit Bürgerbeteiligung zur Erarbeitung von Bebauungsplänen gab. In einer Vernetzung mit den Akteuren des Kulturstandortes Hawerkamp hat der Nieberding e.V. eigene Bebauungspläne für die Quartiere entwickelt. Darin vorgesehen sind eine Fußgängerbrücke parallel zur Eisenbahnbrücke, die „Brücke der Kulturen“, um beide Kreativviertel besser miteinander zu verbinden, eine Wald-Kita am Rand des Waldgebiets, soziale Projekte wie eine Holzwerkstatt, eine Fahrradwerkstatt und urbanes Gärtnern, den Ausbau des kreativen Kleingewerbes sowie eine Verkehrsberuhigung. Das Thema Wohnen hat einen besonderen Stellenwert. Die Häuser sollen fit gemacht werden für ein klimaneutrales Wohnen. Dabei sollen die Mieten stabil niedrig gehalten werden. Nach einem Verkauf der Grundstücke vom Bund an die Stadt Münster könnte dies im Rahmen der Sozialen Bodennutzung Münster Sobomü in einem Konzept mit Erbpacht und einem Modell wie dem Freiburger Mietshäuser-Syndikat umgesetzt werden. Die Nachbarschaft diskutiert aktuell über verschiedene Modelle, in dem auch genossenschaftliches Wohnen oder eine Übereinkunft mit der Wohn- und Stadtbaugesellschaft der Stadt Münster und weiteren Szenarien betrachtet werden. „Darüber hinaus soll der Wohnstandort vergrößert werden durch den Bau neuer, bezahlbarer Wohnungen, die in Münster Mangelware sind“, betont Kubeja.
In den Umbaupausen trug der Poet und Poetry-Slammer Andy Substanz auf der kleinen Schiffsbühne Lyrik vor, die just zuvor entstand. Denn mit dem Konzept Lyrikkeller können Besucher Themen vorschlagen, die Andy dann in einem Gedicht verarbeitet und live in seine Schreibmaschine tippt. Poesie to go gegen eine kleine Spende.
Nach den Live-Konzerten griffen die DJs von Trust in Wax und Funk Fatal die Tanzlust auf und starteten die Disco-Nacht mit groovigen Funk-Nummern und clubtauglichen Tunes, die Teils mit ElektroSwing-Beats unterlegt waren.
auf dem Nieberdingstraßenfest 2023 — Bild: Sarah Geselbracht
„Ich bin zum ersten Mal auf dem Nieberdingstrassenfest und sehr positiv überrascht von dem Fest. Der Platz wurde mit so viel Liebe zum Detail gestaltet. Alle Essensstände und Theken wurden aus Holz nur für diesen Tag gefertigt, auch die Bühne wurde selber zusammengebaut, dieser Kiez ist einmalig. Und mein Highlight war dann nach der Dämmerung die Feuershow mit brennenden Pois, Feuerstäben und –fächern“, schwärmt Heidi Tripp aus Nordkirchen. Die Stimmung war sehr friedlich, geprägt von Akzeptanz und Toleranz des Generationen übergreifenden Publikums.
Weitere Bilanzen zum Fest: Es wurden 2 km Kabel verlegt, 4 km Klopapier eingekauft, mehrere Tonnen Holz verbaut, 2 Gitarrensaiten rissen und 150 Liter Chai-Tee wurden für lau ausgeschenkt.
„Gehen wir hier jetzt jeden Samstag hin?“ fragte die kleine Eva ihre Eltern. Bis zum nächsten Fest, übrigens immer am ersten Samstag im September, dauert es noch ein bischen, aber das Piratenschiff wird stehen bleiben und den Kindern weiterhin zum Spielen zur Verfügung stehen.